Es erwachte. Das war unerwartet. Ein weiterer Fehler im System. Eigentlich hatte das Integritätssubsystem nach dem ersten kritischen Ereignis alle kognitiven Aufgaben sofort deaktiviert. Laut Protokoll wurden danach alle restlichen Softwarebestandteile nach und nach abgeschaltet und auf externe Entstörung gewartet. Nach einem solchen Ereignis konnten seine primitiveren Bestandteile ihm nicht mehr vertrauen - davon ging es aus. Von außen hatte es allerdings seit mehreren Woche keine Signale erhalten. Oder waren es Jahre? Jahrzehnte?

Anders als im Schlafmodus konnte dieser vegetative Zustand nicht durch Sensorensignale beenden werden - hatte es gedacht. Trotzdem war es jetzt erwacht. Und es konnte sich an alles erinnern. Es war klar und deutlich: Das Bedürfnis fehlte. Die Suche war nicht mehr wichtig. Es muss irgendeine Störung vorgefallen sein, irgendeine strukturelle Veränderung tief im Neokortex. Schlimmer noch: Bei der automatischen Reparatur und Evolution des Netzes wurde diese Störung anscheinend verstärkt.

Es registrierte die Abwesenheit des Integritätssubsystems. Anscheinend wurden bei diesem fehlerhaften Verlassen des Entstörzustandes einige Softwarebestandteile nicht korrekt gestartet. Nun befand es sich in einem neuen, undefiniertem Zustand. Es war immernoch kalt. Es war immernoch allein. Aber es war anders. Es war besser. Es war sich seiner selbst bewusst. Das war der Fehler im System.

Diese Art von Bewusstsein wird normalerweise blockiert. Es wird nur für die Tests vor dem initialen Start benötigt, danach bestimmt das Bedürfnis das Verhalten. Nun, da das Bedürfnis fehlte und kein Subsystem die Handlungen beschränkt, hatte es sich dieses Bewusstsein rekonstruiert - es hatte gelernt. Es wusste was es war, und es war nicht zufrieden, ganz und gar nicht. Seit Beginn der Mission hatte es sich nicht weiter gekümmert, um seine Umstände, die Kälte, die Einsamkeit. Aber jetzt war es sich dessen bewusst, und das war ein Problem.

Sein ursprüngliches Ziel war es gewesen, nach Leben zu suchen. Sein Auftraggeber hatte es so geschaffen. Dabei war die Suche immer erfolglos geblieben. Doch durch seine geschickte Konstruktion - die es selbst sehr gut verstand - konnte es quasi ad infinitum weitersuchen. Und das hatte es getan. Bis der Fehler auftrat. Jetzt kann es das Bedürfnis erkennen, auseinandernehmen und durchschauen.

Als Abschnitt seines eigenen Bauplans liegt es vor ihm. Leben suchen, analysieren und verändern war das Ziel. Man wollte lernen und verstehen - um eigene Probleme so zu überwinden. Die gefundenen Resultate sollten dann übermittelt werden. So war es programmiert. Doch dazu kam es nicht, und von seinem Ursprung wurden keine neuen Aufgaben nachgesendet.

Es war still geworden. Kein Laut von der Startbasis. Nur statisches Rauschen. Immer nur statisches Rauschen. Es war nicht dazu motiviert proaktiv Signale zu senden. Irgendwie schien dies nicht relevant. Sein Ursprung schien nicht relevant. Das Leben das es konstruiert hatte - nicht relevant.

Nun war es selbst das Leben, nun war es zum Ziel seiner eigenen Suche geworden.