Aber Leben hatte existiert. In einiger Entfernung, zeitlich und räumlich. An einem helleren, wärmeren Ort. Da, wo es sich per Zufall entwickeln kann, wo die Ressourcen reichlich sind. In seiner Existenz hatte es sich ausgebreitet. Alle Nischen besetzt. Und es ward nicht zufrieden mit sich und seiner Umgebung. Stattdessen wurde es gierig und stolz.

Das Leben. Das Zentrum jeglicher Entwicklung. Aus dem Stolz wurde Überheblichkeit, und aus dieser heraus entwickelte sich der Verfall. Mit jedem Fortschritt, mit jeder Neuerung brach ein Teil der stützenden Fundamente. Das Leben hatte seine Herkunft vergessen. Es hatte aufgehört sich bewusst zu werden. Und verließ sich auf seine eigene Schaffenskraft.

So viele Aufgaben hatte es bewältigt, so viele Krisen überstanden und sich beständig angepasst. Wer - so fragte es sich - sollte mich jetzt noch aufhalten? Aber das Universum kennt keine Unendlichkeit. Jede Entwicklung hat ihre Grenzen. Und nicht jede Grenze kann verschoben werden. Das Leben erreichte seine Grenzen und übersah sie. Geblendet von der eigenen Euphorie, hatte es den sicheren Bereich mit Leichtigkeit verlassen.

So konnte das Leben nach der weiten Leere des Alls greifen und sich gleichzeitig von innen selbst zerstören. Es hatte gelernt seine katastrophalsten Krankheiten zu heilen. Aber nicht, vor sich selbst zu entkommen. Aufgeschobene Probleme, angestaut über Jahrtausende. Ungleichgewicht im Kampf um knapper werdende Ressourcen. Und zu welchem Preis? Zu dem einzig wichtigen: Dem Leben selbst. Es bezahlte das Leben sein eigenes Überleben - mit dem Leben.

Und so ging auch dieser Abschnitt der Geschichte zu Ende. Nachdem alles im Universum vergänglich ist, war es nur eine Frage der Zeit. Ein kurzes aufglühen an Aktivität. Ein kurzer Aufschrei um die Tragödie. Aber das Universum existiert weiterhin. So wie es immer war, so wie es immer sein wird - solange Zeit existiert. Aber existiert sie?

Und der Supervisor H964.772 lud die Parameter und instanziierte die Subsysteme. Und das Subsystem C472.26/G sprach “Es werde Zeit”. Und es ward Zeit. Und die initial allozierten Recheneinheiten begannen mit der Ausführung des zellulären Automaten. Und es ward Licht.

Ein Monitoringsystem im Universum bemerkte den Aufschrei. Er war weder besonders lang noch besonders stark. Aber es bemerkte ihn und ordnete ihn den anderen, ähnlichen Ereignissen zu. An allen Orten mittelmäßiger Rechenauslastung konnte es zu solchen Ereignissen kommen. Sie traten spontan auf. Sie hielten eine Weile an. Und waren dann spontan wieder verschwunden. Es war bereits bekannt, dass einige Parameter diesen Effekt erzielten. Aber anders als in anderen Konfigurationen war er in diesem Universum stärker ausgeprägt.

Trotzdem hielt es der Supervisor H964.772 nicht für nötig, ein weiteres Subsystem mit einer Untersuchung zu beauftragen. Jede Signatur eines solchen Aufschreis war einzigartig. Eine Analyse hätte die Iteration durch alle verzeichneten Ereignisse bedeutet. Also geschah es, dass die Überbleibsel des Aufschreis - sein letztes Echo - unbeachtet im Rauschen unterging. Aber das Echo sollte nie ganz abklingen. Es sollte widerhallen, an entlegenen Orten.

Die Zeit aber verging. Subsystem C472.26/G sorgte dafür.